Ich setzte in meinen Hintergrundtexten und Interviews meist ein kleines Wörtchen vor „Goldenes Zeitalter“: „sogenannt“. Warum das so ist, darauf möchte ich jetzt eingehen. Grundsätzlich wurde die Formulierung „Goldenes Zeitalter“ bereits seit der Antike in der Mythologie verwendet. Darüber hinaus wird er metaphorisch für bestimmte Blütezeiten einer Kultur gebraucht, so auch für die Niederlande im siebzehnten Jahrhundert. An der Universität von Amsterdam gibt es deshalb beispielsweise das Amsterdams Centrum voor de Studie van de Gouden Eeuw (https://acsga.uva.nl/), das sich intensiv und auch kritisch mit der Zeit auseinandersetzt. Hierbei wird der Zeitraum von 1550 bis 1750 gewählt. Ansatzpunkt sind für dieses Zentrum auch die Schriften des niederländischen Kulturhistorikers Johan Huizinga, der den Begriff diskutierte: „Es ist der Name des Goldenen Zeitalters selbst, der nichts taugt. Er riecht nach jener aurea aetas der Antike, jenem mythologischen Schlaraffenland, das uns schon als Schulbuben bei Ovid leicht gelangweilt hat. Wenn unsre Blütezeit einen Namen haben soll, so nenne man sie nach Holz und Stahl, Pech und Teer, Farbe und Tinte, Wagemut und Frömmigkeit, Geist und Phantasie.“
Seit einigen Jahren ist in den Niederlanden diese Formulierung umstritten. Die Diskussion brandete zuletzt auf, als Tom van der Molen, der Konservator des Amsterdam Museums, 2019 bekanntgab, dass das Museum diese nicht mehr verwenden, sondern durch das neutralere „17. Jahrhundert“ ersetzen werde. „Der Ausdruck ignoriert die vielen negativen Seiten wie Armut, Krieg, Zwangsarbeit und Menschenhandel“, sagte er den Deutschen Presse Agentur, und löste damit eine heftige Kontroverse aus.
Die Amsterdamer Hermitage hat sich sehr kreativ dieser Auseinandersetzung gestellt. In der Porträtgalerie des siebzehnten Jahrhunderts werden die damaligen Menschen in großartigen Gemälden aus den Sammlungen des Amsterdam Museums und des Rijksmuseums lebendig. Spannend ist, wie dort der Begriff „Goldenes Zeitalter“ in Frage gestellt wird, denn die historischen Porträts werden durch Fotografien bekannter holländischer people of colour konterkariert, die in die Rolle historischer Persönlichkeiten schlüpfen. Das regt zur Reflexion an und ist künstlerisch absolut sehenswert.