28. Oktober 1189 – Zerstörung der uralten Handelsstadt Bardowick durch Heinrich den Löwen
Bardowicker Gesäßhuldigung – das ist ein Begriff, der mir besonders gut gefällt, wenn es um den Überfall auf Bardowick durch Heinrich den Löwen geht. Was hat es damit auf sich? Und warum hatte es Herzog Heinrich überhaupt auf die Handelsstadt abgesehen?
Bardowick, das südöstlich von Hamburg liegt, ist einer der ältesten Orte Norddeutschlands. Die bedeutende Vergangenheit des Fleckens lässt sich an zwei Dingen schnell erkennen: an dem Dom St. Peter und Paul, der für das landwirtschaftlich geprägte Umfeld überdimensioniert erscheint, und an der Tatsache, dass jedermann, der in die Tiefe bauen will, das Archäologische Landesamt hinzuziehen muss. Tatsächlich hat Bardowick im Mittelalter eine entscheidende Rolle gespielt, was nicht nur die ehemals neun Kirchen bezeugen. So wurde Bardowick bereits im Jahr 805 in einer Anordnung Kaiser Karls des Großen, dem Diedenhofener Kapitular, als einer von neun Grenzorten zwischen Elbe und Alpen urkundlich erwähnt. Bardowick hatte Markt-, Münz- und Zollrechte, hier wurde mit Waffen- und Sklaven gehandelt, hier trafen sich Kaiser und Könige zu Verhandlungen.
Als der Welfe Herzog Heinrich 1142 als Herzog von Sachsen die Herrschaft übernahm, unterstützte er Bardowick noch. Mit der Ausweitung seines Herrschaftsgebiets nach Norden und Osten wurde jedoch Lübeck als Drehscheibe für den Fernhandel wichtiger. Auch das aufstrebende Lüneburg wurde von Herzog Heinrich gefördert. In beide Städte wanderten bereits damals viele Kaufleute aus Bardowick ab. Die Bardowicker waren natürlich entsetzt über den Niedergang ihrer Heimat.
Einige Jahre später schien sich das Schicksal zu Bardowicks Gunsten zu wenden. Doch dann wurde die Region in den langwierigen Streit zwischen den Adelsgeschlechtern der Staufer und Welfen hineingezogen. Herzog Heinrich zog im Streit mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa den Kürzeren und wurde in die Verbannung nach England geschickt. Das Herzogtum Sachsen wurde Bernhard von Askanien zugesprochen.
Jetzt kommen wir endlich zur unmittelbaren Vorgeschichte des besonderen Gunstbeweises der Bardowicker. Als Herzog Heinrich auf dem Weg in die Verbannung in Bardowick vorbeikam und Einlass forderte, sperrten die Bewohner die Tore und zeigten ihm stattdessen den nackten Hintern – eine enorme Beleidigung!
Als Kaiser Friedrich Rotbart auf einen Kreuzzug ins Heilige Land aufbrach und Heinrichs Frau in Braunschweig starb, nahm der Löwe dies zum Anlass, seine Ländereien zurückzugewinnen. Herzog Heinrich sammelte seine Getreuen um sich und ging auf einen Eroberungsfeldzug. Am 26. Oktober des Jahres 1189 begann er die Belagerung von Bardowick und erstürmte den Ort zwei Tage später. Der Sage nach hat ein Ochse den Truppen den Weg durch eine Furt des Flusses Ilmenau gewiesen. Herzog Heinrich ließ die wichtigen Gebäude, wie die Münze, schleifen und vertrieb die meisten der überlebenden Bewohner; viele fingen in Lübeck oder Lüneburg neu an. Einer weiteren Legende nach ließ der Herzog eine goldene Löwenfigur am Portal des Doms aufstellen, die an seine Rache erinnern soll – eine derartige Plastik steht dort noch heute.
Ein weiteres Denkmal ist expliziter: Anlässlich der Tausend-Jahr-Feier Mecklenburgs und des achthundertsten Todestags des Stadtgründers Heinrich des Löwen gestaltete der Bildhauer Peter Lenk 1995 ein Denkmal für den Schweriner Marktplatz, auf dem er auch die nackten Hintern der Bardowicker in Stein meißelte. Die ironische Provokation sorgte für viele Diskussionen, das Löwendenkmal Am Markt jedoch darf inzwischen bei keiner Stadtführung fehlen.
Bardowick hat sich von Herzog Heinrichs Rache nie ganz erholt. Die Hansestädte Lübeck und Lüneburg hängten durch den Fernhandel den Flecken endgültig ab. Die Bardowicker entdeckten stattdessen den Gemüseanbau für sich. Vor allem in Hamburg am „Zippelhaus“ – „Zipolle“ heißt auf Plattdeutsch Zwiebel – wurde Gemüse aus Bardowick gehandelt. Auch heute noch ist Bardowick das Zentrum des Gemüseanbaus der Region. Im Wappen führt es eine dreitürmige Burg, in dessen offenem Tor drei Petersilienwurzeln zu sehen sind. Hier hat der Löwe also keine Spuren hinterlassen.
Mich persönlich faszinieren Orte, die nach einer bedeutenden Geschichte in eine Art Dornröschenschlaf gefallen sind. Die Zerstörung von Bardowick bildet den Auftakt meines historischen Romans „Die Perlenfischerin“ und setzt so eine dramatische Familiengeschichte um Hansestädte, Machtspiele, Stickkunst und um Flussperlen, diese Schätze der Natur, in Gang.
Die Bardowicker Gesäßhuldigung und die Zerstörung der Stadt am 28. Oktober 1189. Foto: Dom zu Bardowick
Danke für den interessanten Text! Viele Grüße aus Bardowick…