Heute nehme ich Sie in meinem Blog mit in das Jahr 1634, genauer gesagt zum Tag der verheereden Sturmflut, die zwischen achttausend und fünfzehntausend Küstenbewohner das Leben kostete und die norddeutsche Küste für immer veränderte.
Mein Name ist Sabine Weiß. Ich bin Schriftstellerin und lade Sie ein, mit mir in die Vergangenheit zu reisen. Heute nehme ich Sie mit in das Jahr 1634, genauer gesagt zum Tag der verheereden Sturmflut, die zwischen achttausend und fünfzehntausend Küstenbewohner das Leben kostete und die norddeutsche Küste für immer veränderte.
Im Laufe der Geschichte ist die Küstenlinie Schleswig-Holsteins immer wieder vom Meer geformt worden. Manche Veränderungen waren tiefgreifend, wie die Marcellusflut im Jahr 1362, die angeblich einhunderttausend Leben kostete und ganze Siedlungen wie das sagenumwobene Rungholt vernichtete.
„De nich will dieken, mutt wieken!“ – „Wer nicht deichen will, muss weichen“ – hieß es daher seit altersher an der Nordseeküste. Das bedeutet, wer sich nicht um die Instandhaltung der lebenswichtigen Deiche kümmerte, der verlor sein Land.
Doch so hoch der Mensch die Deiche auch baute, manchmal war das Meer stärker.
An diesem 11. Oktober des Jahres 1634 sahen die Küstenbewohner das Unwetter heranziehen und holten ihr Vieh in die Häuser. Doch dann kam die Katastrophe über sie. Was genau geschah, wissen wir von einem Augenzeugen. Der niederländische Wasserbauingenieur Jan Adriaanszoon Leeghwater war damit beauftragt worden, dem Meer einen Teil der Dagebüller Bucht abzuringen, als der Sturm losbrach.
„…gegen den Abend [hat] sich ein großer Sturm und Unwetter von Südwest her aus der See erhoben […] Da begann der Wind aus dem Westen so heftig zu wehen, daß kein Schlaf in unsere Augen kam. Als wir ungefähr eine Stunde auf dem Bett gelegen hatten, sagte mein Sohn zu mir „Vater, ich fühle das Wasser auf mein Angesicht tropfen“. Die Wogen sprangen am Seedeich in die Höhe auf das Dach des Hauses. Es war ganz gefährlich anzuhören.
Vater und Sohn flohen also in das höher gelegene Herrenhaus, in dem sich bereits 38 Personen, darunter 20 Flüchtlinge, befanden.
„Der Sturm wehte platt gegen das Herrenhaus, so hart und steif, wie ich’s in meinem Leben nicht gesehen habe. An einer starken Tür, die an der Westseite stand, sprangen die Riegel aus dem Pfosten von den Meereswogen, so daß das Wasser das Feuer auslöschte und so hoch auf den Flur kam, daß es über meine Kniestiefel hinweglief, ungefähr 13 Fuß höher als das Maifeld des alten Landes […] Am Nordende des Herrenhauses, welches dicht am Seetief stand, spülte die Erde unter dem Haus weg […]
Infolgedessen barst das Haus, die Diele und der Boden auseinander […] Es schien nicht anders als solle das Herrenhaus mit allen, die darin waren, vom Deich abspülen. Des Morgens […] da waren alle Zelte und Hütten weggespült, die auf dem ganzen Werk waren, sechs- oder siebenunddreißig an der Zahl, mit allen Menschen, die darin waren. […] Große Seeschiffe waren auf dem hohen Deich stehengeblieben, wie ich selber gesehen habe.
Mehrere Schiffe standen in Husum auf der hohen Straße. Ich bin auch den Strand allda geritten, da hab ich wunderliche Dinge gesehen, viele verschiedene tote Tiere, Balken von Häusern, zertrümmerte Wagen und eine ganze Menge Holz, Heu, Stroh und Stoppeln. Auch habe ich dabei so manche Menschen gesehen, die ertrunken waren.
Soweit der Bericht von Leeghwater.
Eine Kombination von Sturmflut und halber Springflut hatte diesen Sturm so gefährlich gemacht. Neben den vielen Toten war vielerorts der Verlust des Viehs und der Ernte zu beklagen. Die Küste war verändert. Die Insel Strand war zerteilt worden: in Pellworm, die Halbinsel Nordstrand und die Hallig Nordstrandischmoor. Der Priel Norderhever war entstanden, die Halligen Nübbel und Nieland hingegen im Meer versunken. Da nach der Flut Teile des Landes unterhalb des Meeresspiegels lagen, lief das Wasser nicht ab oder drang immer wieder ein – diese Gebiete mussten aufgegeben werden.
Nach dem Heiligen Burkhard von Würzburg, dessen Namenstag der 14. Oktober ist, wurde die Katastrophe Buchardiflut genannt. Etliche Gläubige hielten die Flut für eine Gottesstrafe oder gar ein Vorzeichen der Apokalypse.
Unter Herzog Friedrich III. wurden die Deiche wieder aufgebaut. Er setzte das Deichrecht entschiedener durch und lockte niederländische Geldgeber und Arbeiter, um das Land zurückzugewinnen. Eine auf die Burchardiflut folgende technische Wende im Deichbau sorgte zunächst für mehr Sicherheit. Erst 1717 kam es bei der sogenannten Weihnachtsflut wieder zu Deichbrüchen und hohen Verlusten von Menschenleben.
Heute erleben wir eher schleichende Veränderungen. Auf Sylt beispielsweise werden bei Stürmen die Strände und vor allem die Südspitze, die Hörnum-Odde, immer weiter abgetragen. Dafür wird aus der Sandbank Norderoogsand langsam eine Insel.