Kalenderblatt: Fondaco dei Tedeschi

Text zur Podcast-Folge vom 27. Januar

weiße Fassade mit vielen Fenstern – wohl jeder Venedig-Besucher hat das Gebäude schon einmal gesehen, ob bewusst oder unbewusst.

Bereits im Jahr 1200 existierte vermutlich ein kombiniertes Lager-, Wohn- und Warenhaus für die deutschen Kaufleute in der Lagunenstadt, die älteste Urkunde datiert aus von 1228. In dem Viertel San Bartolomeo, in der Nähe des Rialto-Marktes, gab es bereits früh deutsche Kaufleute und Handwerker. Hundert Meter von der Fondaco entfernt befand sich die sogenannte deutsche Kirche San Bartolomeo. Für dieses Interesse aus dem Norden gab es einen guten Grund: Venedig war der bedeutendste Handelsplatz am Mittelmeer. In der Adriastadt trafen die Waren aus dem Orient ein: Pfeffer und Muskat, Safran und Ingwer, Nelken und Zimt. Dazu kamen Edelsteine, erlesene Stoffe sowie Lebensmittel aus dem Mittelmeerraum, wie Olivenöl und Weine.

Die deutschen Kaufleute waren sehr wichtig für Venedig. Man schätzt, dass ihr jährlicher Umsatz in Venedig im Mittelalter etwa eine Million Dukaten betrug – und demensprechend hoch waren die Zolleinnahmen der Stadt. Damals wurden übrigens auch Flamen, Österreicher und Ungarn zu den deutschen Kaufleuten gezählt.

Verwaltet wurde der Fondaco von der venezianischen Regierung, die Deutsche waren darin nur Gast. Jeder Kaufmann war verpflichtet, sich direkt nach der Ankunft in der Fondaco zu melden, seine Waffen dort abzugeben und dort auch zu wohnen. Nach Abschluss der Geschäfte musste er wieder ausziehen. Allerdings gab es einflussreiche Kaufmannsfamilien, die oft über mehrere Jahrzehnte im Fondaco eine Kammer hatten. Die Kaufleute, die dort oft sehr lange in einer Art Handelsfamilie zusammenlebten, teilten sich zwei Tafeln. Den Vorsitz hatten zwei wichtige Städte des Venedig-Handels: an der einen Tafel Regensburg, an der anderen Nürnberg. Regensburg gilt als die erste Stadt, die mit Venedig Handel trieb. Aber auch Nürnberger Kaufleute transportierten über die Strada d’Allmagna Waren aus Venedig in die Heimat. Die Hochachtung der Venezianer für die fränkische Reichsstadt schlug sich in einem Sprichwort nieder: „Deutschland sei blind, nur Nürnberg sehe auf einem Auge“, sagte man.

Neben den Zöllnern und Notaren beschäftigte das Handelskontor unter anderem Ballenbinder, Schutzleute und Makler. Der Makler sorgte für alle Kontakte zwischen Einkäufern und Verkäufern, begleitete die Händler und übersetzten. Es waren nicht nur die deutschen Kaufleute, die derart betreut – und auch überwacht wurden. Für die türkischen Händler gab es übrigens ebenfalls in der Nähe der Rialto-Brücke den Fondcao die Turchi.

Nachdem der Fondaco dei Tedeschi abgebrannt war, bezahlte Venedig den Wiederaufbau. 1508 wurde ein gewaltiger Neubau errichtet und von den Malern Tizian und Giorgione mit Fresken bemalt. Leider sind diese Fresken nicht mehr erhalten. Nur auf zeitgenössischen Skizzen und Drucken bekommen wir einen Eindruck davon. Nach der Nutzung als Handelsniederlassung war das Deutsche Haus ein Zollamt, 2016 wurde Edel-Kaufhaus daraus.

Auch die Kirche San Bartolomeo existiert noch. Dennoch läuft man meistens daran vorbei, denn das Portal ist von Palästen umgeben und sehr unscheinbar; einzig der Kirchturm fällt aus der Ferne auf. Zudem ist die Kirche, die in den achtziger Jahren entweiht und zu einem Kulturzentrum umgestaltet wurde, heute meistens geschlossen.

Ich habe mich für meinen historischen Roman „Die Arznei der Könige“ intensiv mit dem Handel im Mittelalter in Venedig und insbesondere der Medizingeschichte der Stadt beschäftigt, denn in Venedig wurde auch das Allheilmittel Theriak produziert. Der venezianische Theriak galt als der einzig Wahre. Die Theriak-Produktion wurde streng überwacht, Fälschungen wurden hart bestraft.

In den venezianischen Handelsregeln aus dem Jahre 1258 wird beispielsweise festgelegt: „Ich werde auch keine Konfekte kaufen oder kaufen lassen, die außerhalb der venezianischen Republik hergestellt worden sind, außer Veilchen- und Rosenzucker sowie der Salben, die aus der Lombardei oder aus überseeischen Gebieten eingeführt werden. Vor allem aber werde ich keinen Theriak verkaufen, ehe er von den amtlichen Prüfern begutachtet wurde.“

Donnerstag, 20. Februar 2020

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