Das Torran-Riff vor der Westküste Schottlands war schon lange ein Schiffsgrab. Zwischen 1800 und 1854 gingen hier etwa dreißig Schiffe unter. Bereits 1854 hatte Thomas Stevenson versucht, auf einem der Felsen mit dem Namen Dubh Artach anzulegen was sich jedoch als unmöglich erwiesen hatte. Dennoch begann er, inspiriert durch den Skerryvore-Leuchtturm seines Bruders Alan, einen Leuchtturm für das Riff zu planen. Als Basisstation für Arbeiter und Steinbruch wurde die Tideninsel Erraid vor der Isle of Mull ausgesucht, da sie am leichtesten zu erreichen war. Doch der Bau war schwierig. Immer wieder machten die Herbst- und Winterstürme die Arbeit zunichte, ganze tonnenschwere Granitblöcke verschwanden im Meer. 1870 wurde RLS im Rahmen seiner Ausbildung zum Ingenieur nach Erraid entsandt. Es war für ihn eine entscheidende Zeit, die er in seinen Briefen und weiteren Texten ausführlich beschrieb. Die Tideninsel und das Riff beeindruckten ihn derart, dass er sie zum Schauplatz mehrerer Geschichten machte, u.a. in „Die tollen Männer“ und „Die Entführung – Die Abenteuer des David Balfour“.
Natürlich wollte ich diesen Ort unbedingt sehen. Heute befindet sich Erraid in Privatbesitz und wird von der spirituellen Findhorn Gesellschaft verwaltet. Es ist jedoch erlaubt, die Insel zu betreten. Dank eines glücklichen Zufalls befindet sich ein wirklich zauberhafter Campingplatz direkt an der Küste der Isle of Mull in Fionnophort, von dem aus man einen Blick auf die Insel, den Steinbruch und die Leuchtturmwärterhäuser hat. Ich nutzte die erste Ebbe, um Erraid über die Landbrücke zu betreten. Eine verwunschene Insel, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Manchmal kam es mir so vor, als müsste ich das Hämmern im Steinbruch hören oder in den Küstenhöhlen Piraten und Schatzjäger sehen. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie es für RLS gewesen sein musste, diese Insel zu erkunden. Besonders toll war, vom Observatorium aus – dem Ort, von dem aus per Flagge mit den Leuchtturmwärtern kommuniziert wurde – in weiter Ferne den Schemen des Dubh Artach zu sehen. Auf Erraid ist auch der Wunschstein zu sehen, auf dem Robert Louis Stevenson angeblich die Entscheidung getroffen haben soll, Schriftsteller zu werden. Dies ist jedoch eine Sage und entstand Jahre später, denn in seinen Briefen und weiteren Schriften findet sich darauf kein Hinweis und zudem setzte er die Ausbildung zum Ingenieur noch einige Zeit fort (und wurde danach auch noch Anwalt). Auch die nahegelegene Insel Iona, die Wiege der Christianisierung Schottlands, erkundete RLS – und ich ebenfalls. Ein großes Glück!