Fechtende und sonstige kämpferische Frauen

Ich wurde zur „Tochter des Fechtmeisters“ oft gefragt, ob es um 1610 schon Frauen wie Clarissa gegeben hat, die Fechten konnten, deshalb gibt es jetzt einen kleinen Überblick über „wehrhafte Weiber“.

Die Frage, wie realistisch die Grundidee für einen Roman ist, beschäftigt mich immer wieder aufs Neue, und gerade die Stellung der Frau ist je nach Zeit und Ort differenziert zu betrachten – so ist Mittelalter beispielsweise nicht gleich Mittelalter. Auch bei „Die Tochter des Fechtmeisters“ habe ich mich lange mit dieser Frage beschäftigt. Berserkerbräute aus der nordischen Edda oder Nibelungenheldin Brünhild, Johanna von Orleans oder Gesche Meiburg – in Sage und Geschichte gab es einige Frauen, die sich im Kampf hervorgetan haben. Dass Frauen auch zu frühen Zeiten der Fechtmeister gefochten haben, zeigen beispielsweise die Darstellung von Walpurgis im Manuskript I.33, dem sogenannten Tower-Fechtbuch (siehe Abbildung), oder der gerichtliche Zweikampf zwischen Mann und Frau, dargestellt im Fechtbuch des Fechtmeisters Thalhoffer. Dabei konnte die Frau einen Lohnkämpfer engagieren, aber nicht alle taten es, wie die Chroniken beweisen. Auch später werden immer wieder Frauen erwähnt, die ihre Familie und sich selbst zu verteidigen wussten. David E. Jones hat in seinem Buch „Women Warriors“ viele ihrer Geschichten zusammengetragen. Hier einige weitere Beispiele: Die 1462 geborene italienische Adelige Catherina Sforza begeisterte sich sehr für Fechtkunst und Jagd, was ihr sehr zugute kam, als sie ihre Familie u.a. gegen Caesare Borgia verteidigen musste. Die Braunschweigische Jungfrau Gesche Meiburg hat 1615 u.a. mit dem Schlachtschwert ihre Stadt verteidigt, den Umgang damit muss sie ja irgendwo gelernt haben. Auch der berühmte Fechtmeister Salvatore Fabris, der in meinem Roman erwähnt wird, soll weibliche Schüler gehabt haben. Königin Christina von Schweden (1626-1689) war ebenfalls eine begeisterte Fechterin. Vor allem ab dem Dreißigjährigen Krieg machten kämpfende Frauen von sich reden, etliche von ihnen verkleideten sich als Männer, um offiziell in Armeen eintreten zu können.

Aber Fechten wurde auch zunehmend ein sportliches Kräftemessen: „Sie reitet und schwingt den Degen wie ein Husar und wenn ein Liebender sie reizt, kann sie so heftig werden, dass sie ihn ohne zu zögern durchbohren würde … Ich habe keine Lust, mit ihr die Klinge zu kreuzen“, schrieb Voltaire über seine Lebensgefährtin Emilie de Chatelet.

Ein Schaugefecht zwischen Meister Gazzera und Anna Klauer machte 1901 Schlagzeilen. 1911 fand in Dresden eines der ersten Damenflorett-Turniere statt. Obgleich Fechten zu den ältesten Disziplinen bei Olympia gehört, dauerte es bis 1924, das Frauen erstmals um Gold im Damen-Florett fechten durften, 1996 durften sie bei Olympia erstmals mit dem Degen antreten und 2004 wurde das Säbelfechten der Frauen in die Olympischen Wettkämpfe aufgenommen. Seitdem – abgesehen von dem enttäuschenden Abschneiden in diesem Jahr – gehören die deutschen Fechterinnen in allen Disziplinen zur Weltspitze. Mit Claudia Bokel hat es eine ehemalige Degenfechterin 2016 zur Präsidentin des Deutschen Fechterbunds gebracht. Weitere Informationen finden Sie auch in En Garde! Allez! Touché! 100 Jahre Fechten in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte von Andreas Schirmer (Herausgeber Deutscher Fechter-Bund) sowie unter http://www.zeit-der-schwerter.de/joomla/zds-wissensportal/44-theorie-a-praxis/141-historisch-frauen-auf-dem-schlachtfeld.html oder http://www.lothene.org/women/women14.html. Eine Plattform für Frauen, die in den historischen Kampfkünsten aktiv sind, ist www.historische-fechterinnen.at. Ich übernehme keine Haftung für den Inhalt der verlinkten Seiten.

Samstag, 2. Februar 2019

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