2. September 1666, der große Brand von London

In meiner Blog-Reihe „Meine Reisen in die Vergangenheit“ nehme ich Sie heute mit in das Jahr 1666, genauer gesagt zum großen Brand von London, der am 2. September das Gesicht der Stadt für immer veränderte. Als das Feuer Tage später endlich gelöscht wurde, hatte es fünf Sechstel Londons zerstört.

Beginnen wir mit dem Zitat eines Augenzeugen. Samuel Pepys, der Erste Sekretär der Admiralität, hat in seinem berühmten Tagebuch seine Beobachtungen festgehalten: „Bis hinaus zur City leuchtete die schreckliche, böse, blutige Flamme, nicht wie die Flamme eines gewöhnlichen Feuers.“ Der Philosoph John Locke sah sogar noch von Oxford aus die „Sonnenstrahlen eines fremdartigen, düster roten Lichts“. Pepys weiter: „Jeder versuchte, sein Hab und Gut zu retten, es in den Fluss zu werfen oder in kleine Boote. Die Armen bleiben in ihren Häusern, bis sie das Feuer erreicht hat, dann rennen sie auf die Schiffe oder von einer Anlegebrücke zur anderen … Alle kümmerten sich nur nur um ihre Habseligkeiten und überließen das Feuer sich selbst.“

Was war also geschehen? Wie war das Feuer entstanden? Und warum hat es sich so verheerend ausgewirkt?

Zunächst einmal war das mittelalterliche London leicht entflammbar. Die meisten Häuser waren aus Eichenholz, viele mit Stroh gedeckt, oft hatte man die Wände mit Teer verputzt, um die Feuchtigkeit abzuhalten. Trotz geringer Grundfläche erhoben die Häuser sich mehrere Stockwerke, die zudem weit überhingen. Die Straßen waren daher eng. Eine Feuerwehr gab es nicht. Eimer für Eimer musste die Menschen das Wasser weitereichen, um den Brand zu löschen. Lediglich kleine bewegliche Handpumpen kamen zum Einsatz. Zudem war die Bevölkerung durch eine gerade überstandene Pestwelle geschwächt. Dazu kam, dass der Sommer heiß und trocken gewesen war. Weit trug der Wind die Funken des Brandes.

Nach dem Brand machten religiös motivierte Verschwörungstheorien die Runde. Später hieß es in offiziellen Ermittlungen „die Hand Gottes, der Wind und der sehr trockene Sommer“ seien für die Katastrophe verantwortlich. Dabei hatte man schnell herausgefunden, dass der Brand in einer Bäckerei entstanden war. Thomas Farriner, ein Bäcker des Königs aus der Pudding Lane, hatte vergessen, seinen Ofen anständig zu löschen. Gegen Mitternacht sprangen die Flammen auf die Holzscheide neben der Feuerstelle über. Schnell stand das Haus in Flammen. Farriner konnte mit seiner Familie und einem Angestellten durch einen beherzten Sprung durch ein Fenster entkommen, ein weiterer Angestellter starb. Funken ergriffen das nahe gelegene Star Inn und bahnten sich den Weg bis zum Themseufer mit seinen Lagerhallen. Waren wie Kerzentalg, Lampenöl, Spirituosen und Kohle sorgten für Explosionen. Spätestens jetzt war der Brand außer Kontrolle geraten. Bis zu 1700 Grad erreichte die Temperatur im Zentrum des Feuers, fanden Archäologen später heraus. Das Blei der Kuppel von St. Paul’s floss auf die Straßen, Steine in den Kirchenmauern schienen zu brennen. Die Inkompetenz der Machthaber verschärfte die Katastrophe noch. Angeblich soll der Bürgermeister Sir Thomas Bloodworth nach dem Ausbruch des Brandes Entwarnung gegeben haben. Ein solches Feuer könnte von „einer Frau ausgepisst werden“, habe er erklärt. Der Feuersturm breitete sich rasend aus. Die Straßen waren von panisch Fliehenden verstopft. Als Pepys vorschlug, man solle Schneisen schlagen, um ein Ausbreiten des Brandes zu verhindern, konnten sich weder der Bürgermeister noch die anderen Honoratioren dazu durchringen, weil sie um ihre Immobilien fürchteten. Später setzte sich Pepys mit der Autorität der Marine durch und begann, Häuser zu sprengen und damit Brandschneisen durch die Stadt zu schlagen. Als der Wind nachließ, konnte zumindest der Palast von Whitehall gerade noch gerettet werden.

Bis zum 6. September wütete das Feuer. Die Bilanz war verheerend. 16 Menschen verloren ihr Leben. 13.000 Häuser, etwa 90 Kirchen und öffentliche Gebäude wurden zerstört, darunter die alte St. Paul‘s Cathedral. Etwa 100.000 Menschen wurden obdachlos.

Am 7. September beschrieb der Architekt John Evelyn seine Eindrücke: „Heute morgen ging ich zu Fuß von Whitehall bis zur London Bridge, durch die ehemalige Fleet Street, an St. Pauls vorüber, Cheapside, Börse, Bishopsgate hinaus nach Morefilds und weiter. Mein Weg war außerordentlich schwierig, ich musste Berge noch rauchenden Brandschutts überwinden und war mir oftmals nicht im Klaren, wo ich mich befand. Der Boden unter meinen Füßen war so heiß, dass er mir nicht nur den Schweiß aus dem Körper trieb, sondern sogar meine Schuhsohlen verbrannte.“

König Charles II. beauftragte bereits wenige Tage später den Architekten Sir Christopher Wren mit dem Entwurf einer neuen St. Paul‘s Kathedrale und trieb den Wiederaufbau der Stadt voran. Auch weitere wichtige Gebäude wie der Royal Exchange oder der Stalhof wurden wieder aufgebaut. Damit eine derartige Katastrophe sich nicht wiederholen konnte, mussten die neu errichteten Häuser aus Ziegelsteinen gebaut werden, überhängende Geschosse und allzu enge Straßen wurden verboten.

Heute erinnert eine dorische Säule in der Fish Lane, deren Aussichtsplattform sich weit über die Dächer Londons erhebt, an den Brand von 1666. An der Ecke Pudding Lane und Monument Street befindet sich zudem eine Gedenktafel.

Für mich persönlich ist die Auseinandersetzung mit dem Großen Brand von London auch deshalb spannend, weil ich mich für einen Roman mit dem Werden von Städten beschäftige – doch dazu in einer anderen Folge meines Blogs mehr.

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